Uwe Krupp Leon Draisaitl erwartet schon von sich selbst das meiste 6 5

Es war noch weniger beachtet als heute, doch es ist ein Kapitel deutscher Eishockey-Geschichte. Am Morgen des 11. Juni 1996 schoss der deutsche Verteidiger Uwe Krupp in der dritten Verlängerung von Spiel 4 gegen die Florida Panthers die Colorado Avalanche zum Stanley Cup Sieger. 1:0 hieß damals das Endergebnis nach zuvor 104 Minuten und 30 Sekunden torloses Eishockey. Krupp wurde selbst zum ersten deutschen Stanley Cup Sieger der Geschichte.

Obwohl es mittlerweile fünf deutsche Stanley Cup Sieger (Krupp 1996, 2002; Dennis Seidenberg 2011; Tom Kühnhackl 2016, 2017; Philipp Grubauer 2018; Nico Sturm 2022) gibt, die insgesamt sieben Mal den Titel gewinnen konnten, dauerte es fast 29 Jahre bis erneut ein deutscher Spieler in einem Stanley Cup Finale ein Tor erzielen konnte.

Leon Draisaitl markierte am 4. Juni 2025 das 1:0 in Spiel 1 gegen die Florida Panthers nach 66 Sekunden und wurde so zum zweiten Deutschen nach Krupp, der in einem Stanley Cup Finale treffen konnte. Doch Draisaitl wäre nicht Draisaitl, wenn er nicht noch eines drauflegen würde. So erzielte er nach 19:29 Minuten in der Verlängerung seinen zweiten Treffer und das Siegtor zum 4:3 sowie der 1:0-Serienführung im Rematch des Finales vom letzten Jahr (4:3 für die Panthers).

Ein besondere Fakt, der Krupp und Draisaitl verbindet ist, dass beide nun die einzigen Spieler sind, die gegen die Panthers in der Verlängerung eines Stanley Cup Finals treffen konnten und beide sind in Köln geborene Deutsche.

NHL.com/de hatte die Möglichkeit am Donnerstag exklusiv mit Krupp über Leon Draisaitl, dessen Tore, das Stanley Cup Finale sowie einen Vergleich von seiner Situation damals und heute zu sprechen.

Defenseman Uwe Krupp of the Colorado Avalanche celebrates after scoring the team''s third goal against the Florida Panthers in the second period of game one of the Stanley Cup Finals at McNichols Arena in Denver, Colorado. Mandatory Credit: Jam

Uwe, wie hast du das Tor von Leon gesehen oder davon gehört?

„Ich habe es in den Highlights gesehen, es aber schon um kurz vor halb drei nachts mitbekommen, dass er das erste Tor geschossen hat. Es ist ein super Einstand für ihn und die Edmonton Oilers. Wir brauchen nicht darüber reden, den Anteil, den der Leon daran hat, das kann man nicht hoch genug anrechnen.“

Wie lässt sich dein Tor 1996, mit dem von Leon vergleichen, vielleicht auch in der Wichtigkeit?

„Das ist natürlich noch einmal was anderes, wenn es das Clinching Goal ist und man den Stanley Cup gewinnt. Danach ist es Aus und man hat gewonnen. Wenn man ein Tor macht, dann ist der Jubel groß, aber wenn es das Tor ist und danach ist man Champion, dann fällt unheimlich viel Last von einem ab. Da geht es eigentlich drum. Ich werde immer gefragt, wie war das eigentlich und meine Antwort ist immer, das ist so eine Mischung. Nicht nur Euphorie, sondern auch Befreiung. Man spielt für zweieinhalb Monate fast jeden zweiten Tag, um den Cup zu gewinnen. Das ist ein absoluter Abnutzungskampf. Man sieht es bei den Edmonton Oilers mit der Verletzung von Zach Hyman. Das sind die Geschichten, die geschrieben werden. Die Mannschaft, die besser damit umgeht, die gewinnt es dann. Man braucht eine besondere Form von den Topspielern. Bei mir damals war es Joe Sakic als MVP, der uns durch die Runden in den Playoffs geschossen hat. Und bei Edmonton brauchen wir nicht weit zu schauen und dann sind wir schon schnell bei unserem deutschen Vertreter.“

Auf Deutsch, Englisch und in Sprachen aus aller Welt

Wie kann man die Sehnsucht nach dem Stanley Cup beschreiben oder was dafür nötig ist?

„Es wird heute wenig über die andere Seite der Kabinentür gesprochen, wenn diese zugeht. Die Jungs, die am Eis stehen, investieren so viel für den Erfolg und klar ist bei jedem Sieg eine Erleichterung da. Das gilt für die Mannschaft aber auch jeden einzelnen Spieler in seiner Karriere. Leon oder Connor McDavid müssen niemand mehr etwas beweisen oder zeigen, dass sie Top-Spieler in der Welt sind. Was unterscheidet einen Leon Draisaitl oder Connor McDavid von einem Sidney Crosby? Es ist nur der Gewinn des Stanley Cup. Das macht die Sache so brisant und besonders dadurch, dass es ein Rematch ist vom letzten Jahr.“

Denkst du von Leon ist viel Druck abgefallen, dass er endlich ein Tor im Stanley Cup Finale erzielen, nachdem er letztes Jahr in sieben Spielen nicht treffen konnte?

„Man muss vorsichtig sein, wie man das formuliert. Ich glaube ein Leon Draisaitl in der Rolle, die er hat, weiß ich nicht, ob Druck die richtige Beschreibung ist. Es sind eher seine eigenen Erwartungen, die er an sich hat. Er braucht sich in der Eishockeywelt nicht beweisen. Aber für ihn selbst fehlt der Stanley Cup. Das ist wichtiger als die Olympische Medaille oder eine Weltmeisterschaft. Es ist wichtiger als jede Trophy, die er gewonnen hat oder für All-Star Games nominiert wurde. Der Stanley Cup ist allgegenwärtig und das Non-Plus-Ultra. Wenn man wie der Leon schon so viel erreicht hat, dann erwartet man das als Spieler.“

„Es ist auch noch einmal was anderes, als es bei Dennis Seidenberg oder bei mir war. Wir waren halt in einer guten Mannschaft und haben unseren Beitrag geleistet bzw. unsere Rolle gespielt. Egal, wie groß oder klein diese war. Für mich war es die beste Phase meiner Karriere, obwohl ich nach fünf Monaten Verletzung zu den Playoffs zurückkam und hatte dann 17 Punkte, mehr als Wayne Gretzky. Meine Karriere stand durch die Verletzung gerade Spitz auf Knopf und dann gewinne ich den Stanley Cup. Das war eine besondere Zeit.“

„Aber es mit Leon überhaupt nicht zu vergleichen. Wir haben wie gesagt eine Rolle ausgefüllt, aber er muss das Team tragen und vorangehen. Er steht in vorderster Reihe, muss ständig Fragen beantworten und wird beobachtet. Da gibt es auch Zweifel, ob man das alles leisten kann. Alleine die Aufmerksamkeit heute durch die Social Media. Und dann ist man verantwortlich für eine kanadische Mannschaft, die nach langer Zeit wieder versucht, den Stanley Cup zu gewinnen gegen eine amerikanische Mannschaft und das mit diesem geopolitischen Hintergrund. Man kann das ihm gar nicht hoch genug anrechnen. Und egal, wie oft gesagt wird, dass das alles keine Rolle spielt, da wir nur Eishockey spielen. Das spielt alles eine Rolle. Und das heute ist mit dem, was wir vor 30 Jahren hatten, nicht mehr zu vergleichen.“

Wie denkst du über den Ausgang des Stanley Cup Finale 2025?

„Ich tippe auf Edmonton, da ich glaube, dass die Statistik von Back-to-back stimmt. Wenn zwei Teams mit ihren Stärken auf Augenhöhe sind, dann ist meine Erfahrung als Trainer, dass die Mannschaft, die das erste Spiel verliert, beim zweiten Spiel gewinnt. So sehe ich das hier auch. Es sind letztendlich Details, die die Spiele und Serien entscheiden. Die Mannschaft, die vom letzten Jahr angekratzt ist, die hat einen Vorteil gegenüber der Mannschaft, die den Erfolg hatte. Die sind jetzt noch happy, dass sie letztes Jahr gewonnen haben. Da kann Paul Maurice erzählen und clever sein, wie er will. Wenn also keine großen Verletzungen passieren und die Stärken gleich verteilt sind, dann liegt der Vorteil bei dem Team, das es mehr will und das ist in der Regel das Angeschlagene.“

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